Foto: Comic Sprache

Bilderbücher oder Graphic Novels für Leichte-Sprache-Leser*innen?

In meiner Arbeit als Übersetzerin für Leichte Sprache habe ich erlebt, dass Textschaffende und Grafiker*innen gerne mal in zwei Richtungen arbeiten: Die einen wollen Information mit Worten vermitteln, die anderen sehen Text eher als Störfaktor eines klaren, sauberen Designs. Klar ist: Wer Leichte Sprache braucht, für den ist jedes Wort eine Kraftanstrengung. Grafik und Text sollten also das gleiche Ziel verfolgen. Gleichzeitig wird ein Text auch dadurch leicht, dass ich mehr erkläre, nichts zwischen den Zeilen mitschwingen lasse, sondern explizit mache. Das braucht Raum.

Das Dilemma der Textschaffenden ist also, abzuwägen zwischen möglichst viel Leselust durch fluffig-wenig Text schaffen und nach Möglichkeit nur die Form und nicht den Inhalt zu ändern. Ich plädiere oft für die Reduktion – oder das Aufsplitten in kleine Informationshappen. Die Leichte-Sprache-Welt ist aber voll von ellenlangen, unstrukturierten Texten, die niemand liest. So schwillt ein 50 Seiten-Bericht schonmal zu einem Mammutwerk von 180 Seiten an – da kann ich aber froh sein, dass ich nicht auf Leichte Sprache angewiesen bin!

Graphic Novels oder Silent Books

Aber ich komme vom Thema ab. Mir geht es um die Frage, ob wir in der Leichten Sprache mehr Informationen über Bilder transportieren können. Die Graphic Novel feiert ja ihren Siegeszug, selbst ich alte Leseratte bin auf den Geschmack gekommen* – aber für Erwachsene mit geringer Lesekompetenz ist auch hier die Auswahl begrenzt auf Kinderbücher.

Für die inklusive Lesestunde, die ich einmal die Woche über Zoom organisiere, bin ich immer auf der Suche nach neuem Lesefutter. So bin ich in der ZEIT bei einem kleinen Artikel über Silent Books hängengeblieben. Silent trifft es eigentlich gar nicht, passender ist der deutsche Name: textlose Bücher. Mit Stille haben die Bücher nämlich gar nichts zu tun. Nur „sprechen“ eben die Bilder und nicht der Text. Die Italienerin Deborah Soria nutzt dieses Medium, um mit geflüchteten Kindern auf Lampedusa zu kommunizieren.

Ok, Kinder sind nicht meine Zielgruppe. Aber ansonsten genau das, was ich suche! Der Artikel verweist für weiterführende Informationen auf die Website von IBBY (kurz für International Board on Books for Young People. Dort finde ich in der Sektion „IBBY Collection for Young People with Disabilities“ die Kategorie Universal Access – gemeint sind Bücher für Menschen mit Lernschwierigkeiten. Beim Herumstöbern stoße ich … auf ein Silent Book mit Namen Rumore (Italienisch für „Lärm“), gezeichnet von Luca Ralli. Es ist auf dem Weg zu mir – und ich bin sehr gespannt!**

Bilder aus Datenbank in fertigen Text klatschen

Es heißt zwar, dass Bilder zur Leichten Sprache gehören. In der Praxis sieht das aber meist so aus, dass zunächst ein Text vereinfacht wird. Dann durchsucht der*die Übersetzer*in bestehende Bilddatenbanken – und fügt zu jedem Absatz das Bild ein, was am ehesten den Inhalt vermittelt. Das sieht nicht nur dilettantisch aus. Es ist auch fraglich, ob die Bilder wirklich zum Textverständnis beitragen. Denn generell gibt es zwei Dilemmata: Abstrakte Konzepte sind schwer in Bilder zu fassen. Oft findet sich deshalb nichts Passendes. Konkrete Konzepte sind leichter darzustellen. Diese sind aber auch oft leichter zu verstehen – das Bild ist hier also gar nicht soo wichtig.

Das Problem ist im Grunde: Text und Bild arbeiten nicht zusammen. Klar: Eigens erstellte Bilder sind deutlich teurer und das Budget meist knapp. Aber zwei Zeichnerinnen für leichte Bilder machen Hoffnung: Inga Kramer und Simone Fass. Beide sind nah an der Zielgruppe und mit viel Herzblut dabei.