Vorsätze für 2023 – Konzepte entwickeln statt nur Leichte-Sprache-Texte liefern

Bildmotiv 2023

Auch bei Leichter Sprache trifft zu: Barrierefreiheit beginnt mit dem Konzept auf erster Strukturebene. Anderenfalls bleibt es bei einem bloßen Nachrüsten, was immer mit Einschränkungen und schalen Kompromissen verbunden ist. Welchen Beitrag können wir in unserer täglichen Arbeit leisten, um das Bewusstsein für Leichte Sprache von Anfang an zu schärfen. Welche Bedeutung hat dafür unser selbstsicheres Auftreten als Übersetzer*innen? Liebe Kolleg*innen und andere Mitleser*innen, wo können wir ansetzen? Hier teile ich meine ersten Gedanken dazu und freue mich auf weitere Anregungen.

Der inklusive Blick nach vorne

Mehr gute Internetseiten in Leichter Sprache, dazu brauchen wir die Agenturen.

Immer mehr Websites bieten auch Informationen in Leichter Sprache. Leider allzu oft unbemerkt von den Surfenden im Netz – weil der Zugang im Footer oder an einer anderen, möglichst unauffälligen Stelle versteckt ist. Finden Menschen mit Leichte-Sprache-Bedarf dann doch die leichten Inhalte, passiert es allzu oft, dass sie sich durch falsches Klicken wieder wegkatapultieren. Das Problem dahinter: Die Leichte Sprache ist eine simple Unterseite, der Header weiter in Standardsprache. Die vermeintlich leicht verständliche Seite ist tatsächlich gespickt von Buttons oder Reitern, die zu Inhalten führen, die nichts mehr mit Leichter Sprache zu tun haben. Eine der wichtigsten Regeln bei Webinhalten ist deshalb: Bei jedem Klick muss den Nutzer*innen klar sein, wohin er führt.

Damit das klappt, braucht es aber eine eigene Designvorlage für die Leichte Sprache. Diese bei einer barrierefreien Website von Anfang an mit einzuplanen, ist Aufgabe der Webagenturen. Bisher haben viele Agenturen das nicht auf dem Schirm.

Für uns Übersetzer*innen sehe ich deshalb den Auftrag fürs nächste Jahr: Gehen wir weg vom reinen Übersetzen hin zur Konzeptentwicklung; und sprechen wir Agenturen an! Klären wir auf, was zu einer guten Website in Leichter Sprache gehören sollte, zum Beispiel so wie es Bettina Mikhail tut, wenn sie die Dinge hier auf LinkedIn so treffend auf den Punkt bringt.

Übrigens: Anja Teufel von Anja Teufel Inklusiv und ich haben uns dem Thema erstmalig in unserem Coaching-Modul Websites in Leichter Sprache angenommen. Wir möchten Kolleg*innen sensibilisieren und in den Kriterien einer guten Website in Leichter Sprache schulen. Im Herbst wird es eine nächste Runde geben, und zwar am 18. September und am 9. Oktober 2023.

Info zum Schulungsangebot: Modul Websites

Faire Bezahlung für das Prüfen von Texten

Das Prüfen gehört zur Leichten Sprache wie die Butter zum Brot. Gemeint ist die Praxis, dass Vertreter*innen der Zielgruppe Texte auf ihre Verständlichkeit überprüfen. Traditionell, wenn sich das bei einer so jungen Disziplin sagen lässt, sind die Prüfgruppen an eine Werkstatt angedockt. Besonders der niedrige Werkstattlohn steht aber immer mehr in der Kritik. Klar, dass viele Büros für Leichte Sprache nach Möglichkeiten suchen, die Prüfer*innen angemessen für ihre Tätigkeit zu vergüten. Die wenigsten schaffen es aber, den Prüfer*innen eine Alternative zur Werkstatt zu bieten. Es gibt viele Hürden. Ich als Freiberuflerinnen scheue mich zum Beispiel, jemanden anzustellen und mich damit dem Druck auszusetzen, konstant ausreichend Aufträge zur Auslastung der angestellten Person zu generieren. Zudem ist mein Anspruch, dass die Texte von mindestens zwei, besser noch drei Personen geprüft werden, um mehr Vielfalt abzubilden. Mit einer Person komme ich also nicht aus. Es bräuchte selbst dann zusätzlich noch eine Prüfgruppe.

Derzeit kooperiere ich mit W.I.R. e.V., einem kleinen Selbstvertretungsverein aus Hamburg, damit die Prüfer*innen 12 Euro/Stunde erhalten, ausgezahlt als Ehrenamtspauschale. Das ist zwar noch nicht ideal, aber schon einmal ein kleiner Schritt. Klar ist: Wir bleiben weiter dran.

Faire Bezahlung für Übersetzer*innen

Genauso wichtig wie eine faire Bezahlung der Prüfer*innen ist natürlich, dass wir Textschaffenden gut von unserer Tätigkeit leben können. Ohne Burnout und Überlastung auch durch flaue Monate kommen. Das reine Übersetzen macht fast den kleinsten Teil aus. Deutlich mehr Zeit frisst das Drumherum, die Vorgespräche, die Angebotserstellung bei immer wieder völlig unterschiedlichen Anfragen, ehrenamtliches Engagement und nicht zuletzt die liebe Buchhaltung.

Und zum Schluss nochmal ein bisschen Eigenwerbung: Anja Teufel von Anja Teufel Inklusiv und ich widmen uns auch 2023 wieder dem Drumherum unserer Übersetzungstätigkeit, und zwar im Modul Auftragsgestaltung, Kostenkalkulation & Co. Fürs nächste Jahr stehen auch schon die Termine: 19. Juni und am 10. Juli 2023.

Mit den Fortbildungen wollen wir Wissen vermitteln, damit:

  • mehr Leichte Sprache entsteht, die ankommt. Mehr gute Projekte entstehen, die wir mit stolz zeigen.
  • wir Textschaffenden uns dabei nicht unter Wert verkaufen, sondern selbstbewusst vermitteln, was es für ein gutes Produkt braucht.